Die Frau war über 90 Jahre alt, als sie nach Coburg kam. Irgendwo östlich vom Ural hatte sie bisher gelebt. Sie hatte keine Angehörigen, in ihrer alten Heimat nicht, in Deutschland auch nicht. Sie war ganz allein.
Ich habe sie gefragt: Warum sind Sie gekommen? Warum haben Sie das auf sich genommen? Ihre Antwort: Wenn es draußen kalt wird, dann möchte ich es warm haben, und wenn ich Schmerzen habe, dann möchte ich einen Arzt, der mir hilft.

Ja, habe ich gesagt, und habe gedacht:
und wenn ich meinen Weg gehe, dann möchte ich einen Gefährten, der mit mir geht;
und wenn ich traurig bin, dann möchte ich einen Menschen, der mich tröstet;
und wenn ich Angst habe, dann brauche ich jemanden, der mir hilft;
und wenn ich sterbe, dann möchte ich nicht allein sein.
Miteinander ist es möglich:
eine Familie, ein Freund, ein Arzt, ein Apotheker, eine Klinik, ein Seelsorger (das muss nicht unbedingt ein Pfarrer sein - aber wenn es einer ist, dann ist es gut!), ein Pflegedienst -
und vielleicht auch ein Hospiz: ein Lebensraum für die letzte Lebenszeit, ein Raum zum Leben bis zuletzt.


Darum bemühe ich mich so sehr um ein "Hospiz für Coburg" - und andere auch: der Arzt, der Kaufmann, der Jurist, die Krankenschwester, die Lehrerin, die Politikerin, der Pfarrer, die Hausfrau, die Bankkauffrau - junge und alte, denn es geht doch um jeden von uns. Einen Menschen darf man niemals aufgeben. Um das Leben geht es - und das lieben wir und ehren wir, vom ersten bis zum letzten Tag.
"Ein Hospiz ist kein Alten- und Pflegeheim. In einem Hospiz werden Patienten im Endstadium aufgenommen. In einem Hospiz wird eine häusliche Umgebung angeboten, in der Kranke und ihre Familienangehörigen und Freunde in die Betreuung einbezogen werden.
Die Unterbringung in einem Hospiz ist für die Menschen gedacht, die in ihrer Wohnung nur unzureichend bzw. überhaupt nicht durch die bestehenden ambulanten Versorgungseinrichtungen betreut werden können und bei denen auch eine medizinisch-pflegerische Betreuung durch das Krankenhaus nicht notwendig ist.
Hospize sollten nur ein Glied in der Kette der Versorgungseinheiten für finale Patienten sein (Prof. Dr. J.-Chr. Student, Das Hospiz)
Michael Schadeberg
Pfarrer i. R.


Als ich mich vor kurzem mit meiner 87-jährigen Mutter unterhielt, sagte sie mir, dass sie keine Angst vor dem Tod habe, wohl aber vor einem qualvollen Sterben. Vor einem qualvollen Sterben - nein, davor habe ich keine Angst.

Ich bin 53 Jahre und hoffe, dass die “Medizin” mich vor einem schmerzvollen Dahinsiechen bewahrt. Und trotzdem habe ich Angst. Ich bin Single, ich lebe allein, wie viele andere auch. Es gibt Tausende von Singles, in Großstädten nahezu jeder Zweite, und kaum einer aus Überzeugung. Umzüge, Trennungen oder der Tod des Partners haben uns dazu gemacht.
Ich mache mir Gedanken, wie es sein wird, wenn ich todkrank werde oder einmal alt und hilfsbedürftig bin. Wo und mit wem werde ich meine letzten Tage verbringen? Werde ich alleine in einem sterilen Zimmer auf mein Ende warten? Vielleicht besuchen mich noch Freunde, die angesichts des Todes völlig sprachlos geworden sind; die froh sind, wenn sie mich wieder verlassen können. Diese Vorstellung macht mir Angst. Ich habe den Wunsch, dass liebevolle Menschen an meiner Seite sind, wenn ich sterben muss. Menschen, die mir zeigen, dass sie da sind und bis zum Ende bei mir bleiben.


Ich habe die Hoffnung auf ein Hospiz, einem Ort, in dem todgeweihte Menschen fürsorglich aufgenommen und gepflegt werden. Wo man zusammen lebt, lacht und weint und wo auch ich einmal in den letzten Stunden meine Ruhe finde werde. Ein Hospiz in Coburg ist mein Traum. Das gäbe mir jetzt schon Trost - nicht nur mir, sondern den vielen Menschen, die alleine leben.
Margit Müller
Sozialpädagogin, Coburg     


Leider musste ich lesen, dass die Krankenkassenverbände keinen Bedarf für ein stationäres Hospiz in Coburg sehen. In meiner siebenjährigen Tätigkeit als Hospizhelferin habe ich mehr als einmal die großen Nöte schwerstkranker Menschen und deren Angehörigen hautnah miterlebt, wenn eine Versorgung zu Hause nicht mehr möglich war, weil die physische und psychische Last von den Pflegenden nicht mehr getragen werden konnte.
Bei vielen Angehörigen entsteht in dieser Situation das Gefühl, versagt zu haben oder ein Versprechen nicht eingehalten zu haben, nämlich dem Kranken die Möglichkeit zu geben, zu Hause im Kreis der Familie sterben zu dürfen.

Dieses schlimme Gefühl wird oft noch dadurch verschärft, dass schnell ein geeigneter Ort gefunden werden muss, den Kranken angemessen weiter zu betreuen. Nicht selten kommt es dann zur Einweisung ins Krankenhaus oder zur Aufnahme in ein Pflegeheim. Auch wenn sich alle Beschäftigten dort mit großem Einsatz um den Sterbenden kümmern, können der Ort und das Personal unter den gegebenen Rahmenbedingungen kein Hospiz ersetzen.

In einem Hospiz gibt der Gast den Takt an, seine Wünsche und Bedürfnisse stehen im Vordergrund, werden geachtet und nach Möglichkeit erfüllt. Auf seine Schmerzen und auf seine Ängste wird mit großer Sorgfalt eingegangen. Der Sterbende, aber auch seine Angehörigen werden an die Hand genommmen, um gemeinsam einen würdigen Abschied zu gestalten.

Dass kein Bedarf für ein Hospiz in Coburg oder seiner nahen Umgebung besteht, ist Ergebnis einer bloßen Rechenoperation. Die Realität sieht anders aus.
Gundula Schöllchen
Hospizhelferin, Niederfüllbach